Jugend zeigt NGG ihr wahres Alter auf

50 Prozent der NGG-Mitglieder gehen in den nächsten 20 Jahren in den Ruhestand. Von den gut 150 Delegierten auf dem Gewerkschaftstag sind aber nur fünf (!) Betriebsräte unter 27 Jahren.

Kein Wunder also, dass sich die jungeNGGler*innen in der NGG unterrepräsentiert fühlen. Dabei machen die jungen Kolleg*innen mächtig Wind – wie zum Beispiel Lara Wieland, die davon berichtete, wie sie bei Lieferando in Köln mehrere Streiks mitorgansiert hat. Oder Josefa Leitner aus der Region Rosenheim-Oberbayern. Die Brauerin appellierte an den Gewerkschaftstag: „Wir wollen keine Stellvertreter, wir wollen selber machen. Helft den jungen Kolleg*innen, so selbstbewusst zu werden wie ihr selbst. Gebt ihnen eine Stimme, nehmt sie mit in die Tarifrunden.“

In ihrem einstimmig verabschiedeten Antrag appellieren sie, mehr aktives Ehrenamt in der Jugend zu fördern: „Dazu gehört es, junge Menschen in alle tarifpolitischen Prozesse unserer NGG einzubinden. Gerade in den Tarifkommissionen kann man Vieles bewirken sowie Neues lernen und genau das reizt viele junge Menschen an der Gewerkschaftsarbeit. Auf diesem Weg lässt sich nicht nur vorhandenes Ehrenamt binden, sondern auch neues Ehrenamt finden.  Deshalb sollen bei allen künftigen Tarifrunden weiterhin die Jugendmandate gefördert werden. Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, dass in jeder Tarifkommission die Mandate von jungeNGG besetzt werden.“

Standing Ovations für Vielfalt

Standing Ovations und Zustimmung der Delegierten erntete der von einer bunten T-Shirt-Aktion begleitete Antrag „Regenbogen der Vielfalt“ des Landesbezirks Nordrhein-Westfalen. Mohamed Boudih, Landesbezirksvorsitzender: „Wir als Gewerkschaft NGG stehen für Frieden, Menschenrechte, Vielfalt, Demokratie, Antirassismus, Solidarität, Umweltschutz, Migration, Bildung und gegen Rechtspopulismus. Und das nicht erst seit heute, sondern seit mehr als 150 Jahren. Wir fragen nicht nach Geschlecht oder sexueller Orientierung. Und uns ist auch die Hautfarbe egal. Uns verbindet die Überzeugung, dass wir zuallererst Menschen sind. Aber diese Werte sind in Gefahr. Antisemitismus hat wieder Konjunktur in Deutschland, und die AfD ist auf dem Vormarsch. Für diese Partei ist es nicht normal, dass ein Mohamed sagt ‚Ich bin Deutscher‘. All dem müssen wir mit aller Kraft entgegentreten und lauter werden. Unser Deutschland ist bunt und vielfältig. Und das ist normal für uns. Wir haben keinen Platz für alte und neue Nazis. Und das ist normal. Lasst uns gemeinsam kämpfen für Vielfalt!“

Mehr ausbilden - besser ausbilden

Maximilian Lehlbach trat für die Jugend ans Rednerpult

Unter großem Beifall verabschiedeten die Delegierten mehrere Anträge für eine bessere Ausbildung. Nur 20 (!) Prozent der Betriebe bilden überhaupt noch aus. Vier von fünf Betrieben kümmern sich also überhaupt nicht, wollen aber trotzdem in Zukunft gute Fachkräfte haben. Zu den beschlossenen NGG-Forderungen zählen unter anderem das kostenloses Azubiticket für den öffentlichen Nahverkehr, einen besserer Betreuungsschlüssel sowie die Bezahlung der Prüfer*innen durch den Arbeitgeber, damit diese ihre Tätigkeit auch ausüben können. Viele Arbeitgeber hätten immer noch nicht verstanden, dass „ich als Azubis kein Angestellter bin, sondern eben Auszubildender“, sagte Antragsteller Florian Urban aus der Region Hannover. Maximilian Lehlbach aus der Region Oldenburg-Ostfriesland machte sich für ein gesetzlich verankertes Zutrittsrecht von Gewerkschaften an Berufsschulen stark: „Wenn in einer Berufsschulklasse niemand etwas von Gewerkschaften weiß, weil ihnen der Zutritt verweigert wird, dann hat unser Bildungssystem versagt. Und zwar jämmerlich!“

Für gute Arbeit in einer gerechten Gesellschaft

Im umfassenden Leitantrag des Hauptvorstandes „Für gute Arbeit in einer gerechten Gesellschaft“ verabschiedeten die Delegierten diverse Forderungen zu Themen wie guter Erwerbsarbeit, Tarifbindung und gute Tarifeinkommen, Ausbildung, Weiterbildung, Arbeits- und Gesundheitsschutz oder Daseinsvorsorge.  Die Delegierten beschlossen auf Antrag der Region Hamburg-Elmshorn, sich auch weiterhin für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung einzusetzen. Oliver Riek, selbst seit 20 Jahren in Gastronomie tätig, kritisierte die Betriebe in der Gastronomie als „Jammerlappen“. Dort fehlten 100.000 Beschäftigte. Trotzdem würden viele Betriebe neue Beschäftigte immer noch mit Probezeiten von einem Jahr einstellen. Schon bei der Einstellung würden die Beschäftigten in solchen Betrieben „verarscht“, so Oliver Riek weiter.

Weiblich, stark, erfolgreich

Mit einer schönen Plakataktion und viel Applaus verabschiedeten die Delegierten gleich zu Beginn der inhaltlichen Debatte mehrere Anträge, um die Rolle von Frauen in der NGG zu stärken. Im Antrag des Bundesfrauenausschuss geht es darum, das Engagement und die Beteiligung von Frauen ganzheitlich über alle Ebenen zu stärken, beispielsweise indem mehr Frauen mehr Führungspositionen in Haupt- und Ehrenamt übernehmen. Weil der Frauenanteil in der NGG sinkt, soll Frauenarbeit außerdem integraler Teil der Mitgliederwerbung sein. Der Antrag des Hauptvorstandes sieht vor dem Hintergrund diverser Geschlechter vor, die Geschlechterformulierungen in der Satzung zu überarbeiten und redaktionell anzupassen. Außerdem soll der Hauptvorstand prüfen, dass die Förderung von Frauen auch künftig in der Satzung verankert bleibt.

Tag 4

Und weiter geht es mit Inhalten: Heute diskutieren die Delegierten die Themenblöcke >Für gute Arbeit in einer gerechten Gesellschaft<, >NGG im Betrieb und in den Branchen< und >Sozial-ökologische Transformation und Lebensmittelpolitik<. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil spricht per Videobotschaft zu den NGG-Delegierten.